Geschichte
Zeitstrahl der Geschichte der Sudetendeutschen
12./13. Jahrhundert
Böhmische Herzöge und Könige rufen Deutsche als Bauern, Bergleute, Handwerker, Kaufleute und Künstler ins Land.
1348
Karl IV., Römischer Kaiser sowie deutscher und böhmischer König, gründet in Prag die erste Universität Mitteleuropas. Er vereinigt das Königreich Böhmen, die Markgrafschaft Mähren und das Herzogtum Schlesien, also die gemeinsame Heimat von Tschechen und Sudetendeutschen, unter der Heiligen Wenzelskrone.
1409
Aufgrund von Streitigkeiten ziehen 100 deutsche Lehrkräfte von der Karlsuniversität in Prag nach Leipzig und gründen die dortige Universität.
1415
Die Verbrennung des böhmischen Reformators Jan Hus auf dem Konstanzer Konzil löst die Hussitenkriege (1420-1434) aus.
1526
Die böhmischen Stände wählen Erzherzog Ferdinand von Österreich zum König. Damit beginnt die Zeit der Habsburgerherrschaft.
1575
Die nichtkatholischen Stände legen Kaiser Maximilian II. mit der Confessio Bohemica eine protestantische Bekenntnisschrift vor, um eine rechtliche Anerkennung zu erreichen, woraufhin der Kaiser ihnen mündlich Rechtssicherheit gewährt.
1618
Auseinandersetzungen zwischen Kaiser und böhmischem Adel um konfessionelle Rechte und politische Macht führen zum Prager Fenstersturz und lösen den Dreißigjährigen Krieg aus.
1619
Die böhmischen Stände erklären den Habsburger Ferdinand II. für abgesetzt und wählen stattdessen Friedrich V. von der Pfalz zum böhmischen König.
1620
Das Heer der böhmischen Aufständischen erleidet in der Schlacht am Weißen Berg eine entscheidende Niederlage gegen die kaiserlichen Truppen. Das Königreich Böhmen wird zum Erbkönigtum des Hauses Habsburg.
1740-1763
In den Schlesischen Kriegen erobert der preußische König Friedrich II. große Teile Schlesiens. Damit verlieren die Böhmischen Länder ein Viertel ihres Gebietes und ein Drittel der deutschsprachigen Bevölkerung. Nur ein kleiner Teil Schlesiens, das Gebiet um Teschen und Troppau, verbleibt bei Österreich (Österreichisch-Schlesien oder auch Sudetenschlesien).
1806
Unter dem Druck Napoleons geht das Heilige Römische Reich, zu dem das Königreich Böhmen als eines der Kurfürstentümer zählte, unter. 1815 entsteht der Deutsche Bund, dem auch die Böhmischen Länder angehören.
1848
Auf deutscher wie auf tschechischer Seite entwickeln sich nationalistische Tendenzen, die sich gegeneinander richten. Zu einem großen Spannungsfeld wird der Sprachengebrauch in Ämtern und in Schulen. Der österreichische Reichstag, der wegen der Revolution in Wien seinen Sitz ins mährische Kremsier verlagert hat, verabschiedet eine Verfassung, in der die sprachliche und politische Gleichberechtigung aller Volksstämme des Reiches postuliert wird. Diese Rechtsgrundlage wird in alle Verfassungen der Habsburgermonarchie bis zu deren Ende 1918 übernommen.
1866
Nach der verlorenen Schlacht bei Königgrätz scheidet Österreich – und damit die Böhmischen Länder – aus dem deutschen Bund aus. Die nationalen Gegensätze zwischen Tschechen und Deutschen verschärfen sich.
1867
Aufgrund des Ausgleichs mit Ungarn wird aus dem Kaisertum Österreich die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn. Die böhmischen Länder gehören zu der deutsch dominierten österreichischen (cisleithanischen) Reichshälfte.
1882
Die Karlsuniversität in Prag wird in eine tschechische und eine deutsche Hochschule geteilt.
1897
Die Badenischen Sprachverordnung, die eine Gleichberechtigung der deutschen und tschechischen Sprache in den Böhmischen Ländern zum Ziel hat, scheitert am Widerstand der Deutschen.
1905
Deutsche und Tschechen in Mähren einigen sich auf einen Ausgleich im Nationalitätenstreit (Mährischer Ausgleich). In Böhmen gelingt ein solcher Ausgleich nicht.
1918
Nach Ende des Ersten Weltkrieges gründet sich die (erste) Tschechoslowakische Republik. Mit 3,2 Millionen sind ein Viertel der Bevölkerung deutschsprachig und damit die Deutschen die zweitgrößte nationale Gruppe im neu gegründeten Staat.
1919
Bei Kundgebungen für das Selbstbestimmungsrecht am 4. März 1919 kommen in verschiedenen sudetendeutschen Ortschaften 54 deutsche Demonstranten durch Kugeln des tschechischen Militärs ums Leben.
1926
Trotz der vielfachen Benachteiligung der deutschen Volksgruppe treten sudetendeutsche Parteien als Koalitionspartner in die tschechoslowakische Regierung ein. 1929 stellten diese „aktivistischen“, also zur konstruktiven Mitarbeit im Staat entschlossenen Parteien 80 Prozent der sudetendeutschen Abgeordneten.
1929
Mit einem Kurssturz an der New Yorker Börse beginnt die Weltwirtschaftskrise, die sich auch auf die Tschechoslowakei auswirkt. Besonders stark betroffen sind die sudetendeutschen Industrieregionen, in denen hauptsächlich Konsumgüter hergestellt werden.
1935
Die neu gegründete Sudetendeutsche Partei unter Konrad Henlein gewinnt aus dem Stand zwei Drittel aller sudetendeutschen Wählerstimmen.
1936/1937
Die Sudetendeutsche Partei unterwirft sich dem Diktat Adolf Hitlers.
1938
Der Anschluss der sudetendeutschen Gebiete an das Deutsche Reich infolge des Münchner Abkommens wird - insbesondere mit Blick auf den vorherigen Anschluss Österreichs an Deutschland - von der Mehrheit der Sudetendeutschen begrüßt. Gleichzeitig beginnt die systematische Verfolgung von Juden, Roma, NS-Gegnern und anderen Menschen, die der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft missliebig sind.
1939
Unter Bruch seiner Versprechungen beim Münchner Abkommen unterwirft Adolf Hitler Böhmen und Mähren als Protektorat. Die Tschechen werden unterdrückt und entrechtet.
1942
Nach dem Attentat auf Reinhard Heydrich, stellvertretendem Statthalter des „Protektorats Böhmen und Mähren“, vernichtet die SS das tschechische Dorf Lidice.
1945
Per Dekret werden alle Sudetendeutschen als „unzuverlässige Personen“ und „Verräter“ geächtet und entrechtet. Im Zuge der „wilden Vertreibung“ verlieren Hunderttausende Sudetendeutsche ihre Heimat, in den damit verbundenen Exzessen Tausende ihr Leben.
1946
Nach der aufgrund jahrelanger Vorarbeit im Exil durch Edvard Beneš erreichten Zustimmung der Siegermächte in Potsdam zur „ordnungsgemäßen Überführung“ beginnt die organisierte Vertreibung der fast 3 Millionen verbliebenen Sudetendeutschen in die amerikanische und die sowjetische Besatzungszone. Sie ist 1947 weitgehend abgeschlossen. Die in der Heimat verbliebenen mehr als 100 000 Sudetendeutschen werden schwer benachteiligt und unterdrückt.
1949
Gründungsversammlung des Landesverbands Bayern der Sudetendeutschen Landsmannschaft am 16. Januar
1950
Gründung des Bundesverbands der Sudetendeutschen Landsmannschaft. Im „Wiesbadener Abkommen“ und in der „Charta der Heimatvertriebenen“ bekennen sich die Vertreter der Sudetendeutschen zu Gewaltverzicht und Dialog. In Kempten findet der erste „Sudetendeutsche Tag“ statt.
Ab 1950
Mit Neugablonz, Geretsried, Waldkraiburg, Tranreut und Neutraubling in Bayern, Trappenkamp in Schleswig-Holstein und Stadtallendorf in Hessen entstehen nach und nach neue Gemeinden und Städte, die überwiegend von Vertriebenen bewohnt werden.
1951
Gründung der Sudetendeutschen Zeitung
1952
Der Lastenausgleich und das beginnende Wirtschaftswunder, zu dem der Aufbauwille, die Kenntnisse und die Leistungen der Sudetendeutschen maßgeblich beigetragen haben, erleichtern die Integration der Vertriebenen in der Bundesrepublik Deutschland.
1954
Der Freistaat Bayern übernimmt die Schirmherrschaft über die Sudetendeutschen als „vierter Stamm“ Bayerns.
1959
In Wien treffen sich 300.000 Sudetendeutsche zum ersten Sudetendeutschen Tag außerhalb Deutschlands.
1961
Etwa 200.000 Sudetendeutsche flüchten vor dem Mauerbau in den Westen. In der DDR, in der etwa ein Drittel der vertriebenen Sudetendeutschen angesiedelt worden sind, sind Flucht und Vertreibung ein Tabuthema. Statt von Vertreibung wird von Umsiedlung gesprochen.
1968
Nach dem gewaltsamen Ende des „Prager Frühlings“ werden Tausende tschechischer Emigranten von Sudetendeutschen aufgenommen und betreut. In Folge der Entwicklungen wandern 50.000 deutsche Spätaussiedler aus der Tschechoslowakei aus.
1970
Die Sudetendeutsche Stiftung wird gegründet. Als ihr Hauptzweck wird die Pflege des sudetendeutschen Kulturguts definiert.
1977
Unter den tschechischen Dissidenten der „Charta 77“ beginnt eine offene und kritische Debatte über die Vertreibung der Deutschen aus der Tschechoslowakei.
1982
Grundsteinlegung des Sudetendeutschen Hauses, das 1985 eröffnet wird.
1989
Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs können sich erstmals auch die in der Heimat verbliebenen Deutschen in der Tschechoslowakei sowie die Sudetendeutschen in den neuen Bundesländern organisieren und zu ihrer Identität bekennen.
1990
Im Gefolge der "Samtenen Revolution" von 1989 in der Tschechoslowakei eröffnet sich nunmehr die Chance für eine gemeinsame Aufarbeitung begangenen Unrechts. Präsident Václav Havel verurteilt die Vertreibung und wendet sich gegen das Kollektivschuldprinzip.
1997
Die ohne ausreichende sudetendeutsche Beteiligung abgeschlossene "Deutsch-Tschechische Erklärung" wird den sudetendeutschen Positionen nicht gerecht, eröffnet aber mit dem deutsch-tschechischen Gesprächsforum und mit dem deutsch-tschechischen Zukunftsfonds auch den Sudetendeutschen neue Möglichkeiten für Fortschritte in den gegenseitigen Beziehungen.
2000
Mit Bernd Posselt MdEP wird erstmals ein nach der Vertreibung Geborener Vorsitzender der Sudetendeutschen Landsmannschaft.
2002
Das tschechische Parlament bezeichnet in einem einstimmig gefassten Beschluss die Beneš -Dekrete als „unantastbar“. Bald darauf wird Edvard Beneš per Gesetz zum verdienten Staatsmann erklärt.
2003
Die Sudetendeutsche Landsmannschaft eröffnet ihr Büro in Prag. Nach anfänglichen Anfeindungen ist es inzwischen auch von tschechischen Ansprechpartnern hoch geachtet.
2004
Der Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union und nachfolgend zum Schengen-Raum eröffnet den Sudetendeutschen den uneingeschränkten Zugang zu ihrer Heimat und neue Möglichkeiten zur Vertiefung der Zusammenarbeit.
2008
Bernd Posselt MdEP wird Sprecher, also oberster politischer Repräsentant, der Sudetendeutschen Volksgruppe
2010
Nach intensiver Vorarbeit und in Begleitung von Bernd Posselt reist Horst Seehofer als erster Bayerischer Ministerpräsident nach Prag.
2012
Der Freistaat Bayern stellt 20 Millionen und der Bund 10 Millionen Euro für den Bau eines Sudetendeutschen Museums in München zur Verfügung.
2013
In einer denkwürdigen Rede vor dem Bayerischen Landtag bedauert der tschechische Ministerpräsident Petr Nečas das Unrecht der Vertreibung der Sudetendeutschen.
2016
Mit Daniel Herman besucht erstmals ein tschechischer Minister den Sudetendeutschen Tag.
2020
Das Sudetendeutsche Museum in München wird eröffnet.
Unsere Geschichte. Unsere Kultur. Unser Leben.
Die Ausstellung des Sudetendeutschen Rates erzählt reich bebildert die Geschichte der Sudetendeutschen Volksgruppe.
Geschichte der Sudetendeutschen Jugend
Der Arbeitskreis ehemaliger Angehöriger der SdJ und versuchen in Zusammenarbeit mit der Deutschen Jugend des Ostens (DJO) einen möglichst umfassenden Bericht zu geben über ihr damaliges Wollen und Wirken.
Geschichte der Vertreibung
Per Dekret werden alle Sudetendeutschen als "unzuverlässige Personen" und "Verräter" geächtet und entrechtet. Im Zuge der "wilden Vertreibung" verlieren etwa 750.000 Sudetendeutsche ihre Heimat, in den damit verbundenen Exzessen Tausende ihr Leben.
Vertreibungstransporte des Jahres 1946
Eine zusammenfassende statistische Darstellung der Transporte aus der Tschechischen Republik, Österreich, Ungarn und der Slowakei nach den Ländern der amerikanischen Besatzungszone (Bayern, Baden-Württemberg und Hessen) sowie der sowjetischen Besatzungszone (SBZ), erstellt von Wilhelm Jun (†) im Jahr 2009.
Vertreibungstransporte
Eine Übersicht über Vertreibungstransporte liegt oftmals unseren Heimatkreisbetreuern vor.
Ausstellung
Der Förderverein der Stadt Saaz/Žatec e. V. präsentiert die Wanderausstellung "Die wilde Vertreibung der Deutschen aus Nordböhmen 1945".